Authors: Marohn, Annette
Title: Falschvorstellungen von Schülern in der Elektrochemie
Language (ISO): de
Abstract: Die vorliegende Studie beschreibt Falschvorstellungen von Schülern (Diese und ähnliche Personenbezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen.) in der Elektrochemie. Bei diesen handelt es sich um Vorstellungen, die nicht mit den wissenschaftlichen Konzepten im Bereich der Elektrochemie übereinstimmen. Ziel der Arbeit war es, Falschvorstellungen zu erforschen, die das Verständnis der Vorgänge in elektrochemischen Zellen erschweren und die Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler im Chemieunterricht behindern können. Darüber hinaus sollten geeignete Mehrfachwahlaufgaben entwickelt werden, um einen Eindruck von der Häufigkeit der gefundenen Vorstellungen und ihrer Stabilität gegenüber den richtigen Konzepten zu gewinnen. Die Studie stellt 25 Mehrfachwahlaufgaben und 7 Aufgaben mit offener Antwortmöglichkeit vor. Diese wurden in fünf Untersuchungszyklen entwickelt und von Chemie­Grundkurs­ und ­Leistungskursschülern aus dem gesamten Bundesgebiet schriftlich bearbeitet. Die Schüler wurden gebeten, ihre Antworten ausführlich zu begründen. Insgesamt nahmen etwa 16000 Schüler an der Untersuchung teil. Im Verlauf der Studie konnten Falschvorstellungen zu fünf verschiedenen Aspekten identifiziert werden: Elektrolyse, Ladungstransport im Elektrolyten, Kathode und Anode, Minuspol und Pluspol sowie Strom``verbrauch`` und Elektronenumsatz. Durch die Formulierung von Aufgabenvarianten und die wiederholte Erprobung einer Aufgabe in verschiedenen Untersuchungszyklen war es möglich, die Gültigkeit der gewonnenen Ergebnisse zu überprüfen. Die besonders häufig beobachteten Falschvorstellungen werden im folgenden aufgeführt: Auffällig war die große Zahl von Schülern, die den Elektrolysevorgang als eine Spaltung des Elektrolyten in seine Ionen interpretierten. Viele Schüler hatten keine Vorstellung davon, daß bei einer Elektrolyse Elektronenübertragungen an den Elektroden stattfinden. In den Schülerkommentaren zum Ladungstransport im Elektrolyten dominierte die Falschvorstellung, der Stromfluß im Elektrolyten beruhe auf der Bewegung von Elektronen. Dabei wurden drei unterschiedliche Mechanismen beschrieben: ein Fluß freier Elektronen, ein Transport der Elektronen mit Hilfe von Ionen, die sich von einer Elektrode zur anderen bewegen und ein Weiterreichen der Elektronen von Ion zu Ion. Die Elektrodenreaktionen wurden in diesem Zusammenhang dahingehend gedeutet, daß sich die in der Oxidationsreaktion freigesetzten Elektronen durch die Lösung bewegen müssen, um an der anderen Elektrode im Reduktionsvorgang wieder aufgenommen werden zu können. Bei galvanischen Elementen verstärkte sich die Vorstellung vom Elektronenfluß in der Zelle deutlich, wenn anstelle des Diaphragmas eine Salzbrücke vorgegeben wurde. Eine besondere Schwierigkeit bereitete die Richtung des Ladungstransportes in galvanischen Zellen. Aufgrund ihrer Kenntnisse über die gegenseitige Anziehung ungleichnamiger Ladungen gaben Falschvorstellungen in der Elektrochemie viele Schüler an, daß sich negative Ionen in Richtung des Pluspols, positive Ionen in Richtung des Minuspols bewegen müssen. Die von den Schülern gegebenen Definitionen der Begriffe Kathode, Anode, Minuspol und Pluspol zeigten, daß die Vorgänge in elektrochemischen Zellen aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben werden können. So erwies sich die Definition der Reduktion als Elektronenaufnahme und der Oxidation als Elektronenabgabe als nicht eindeutig, da diese Begriffe sowohl aus der Sicht der Teilchen in der Lösung als auch aus der Perspektive der Elektrode (Der Begriff Elektrode bezeichnet hier nur die elektronenleitende Phase. ) gedeutet werden können. Entgegen der wissenschaftlichen Konvention definierten viele Schüler die Oxidation als den Vorgang, bei dem die Elektrode Elektronen an positive Ionen in der Lösung abgibt. Dementsprechend wurde die Reduktion als ein Prozeß interpretiert, bei dem nicht die positiven Ionen in der Lösung, sondern die Elektrode selbst Elektronen aufnimmt. Die Mehrzahl der Schüler identifizierte den Minuspol und Pluspol einer galvanischen Zelle, indem sie von den bei Stromfluß stattfindenden Elektronenübergängen auf die Ladung der jeweiligen Elektrode schlossen. Die Beschreibung des Elektronentransfers und der Kausalschluß auf die Ladung der Elektrode erfolgten auch hier aus unterschiedlichen Perspektiven: Zum einen konnte sowohl der Elektronentransfer zwischen der Elektrode und dem inneren Leiter als auch der Elektronenübergang zwischen der Elektrode und dem äußeren Leiter betrachtet werden. Zum anderen wurde der Elektronentransfer einmal als Ursache, einmal als Folge der Ladung der Elektrode interpretiert. Die gleichen Argumentationsweisen zeigten sich am Beispiel elektrolytischer Zellen, ohne daß dabei die Polung der äußeren Spannungsquelle berücksichtigt wurde. Falschvorstellungen in der Elektrochemie. Bei gleichzeitiger Verwendung der Begriffspaare Kathode/Anode und Minuspol/Pluspol wurde die Kathode von den meisten Schülern mit dem Minuspol gleichgesetzt und auch bei galvanischen Elementen dem negativen Pol der Zelle zugeordnet. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, daß einige Schüler einen ungleichen Elektronenumsatz an den Elektroden einer Elektrolysezelle für möglich halten, der unterschiedliche Stromstärken auf beiden Seiten der Zelle zur Folge hat. Auf der Basis einer Analyse verschiedener Schulbücher wurden abschließend mögliche Ursachen für die aufgezeigten Falschvorstellungen diskutiert und einige Anregungen für den Chemieunterricht gegeben. Die Kenntnis der beschriebenen Falschvorstellungen kann dazu beitragen, fehlerhafte Aussagen von Schülern besser zu verstehen und gezielter auf Schwierigkeiten von Schülern in der Elektrochemie einzugehen. Die entwickelten Aufgaben können zudem von Lehrern im Chemieunterricht eingesetzt werden, um sich einen Überblick über die Schwierigkeiten ihrer Schüler zu verschaffen oder um eine Diskussion über einen Sachverhalt aus dem Bereich der Elektrochemie in Gang zu setzen.
Subject Headings: Chemiedidaktik
Elektrochemie
Empirische Untersuchung
Falschvorstellungen
Schülervorstellungen
URI: http://hdl.handle.net/2003/2464
http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-8483
Issue Date: 2000-11-16
Provenance: Universität Dortmund
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